Historischer Tanz

Gesellschafts- und Bühnentänze

Louis XIV, König von Frankreich und selbst ein passionierter Tänzer, der täglich ein mehrstündiges Training absolvierte, trat in dem Ballett „La Nuit“ in der Rolle des griechischen Sonnengotts Helios auf, der die dunkle Bühne mit seinem Erscheinen erhellte -  und erhielt seitdem den Beinamen: „der Sonnenkönig“. In seinem Lichte sollten auch die verschiedenen Künste in Paris erblühen und gedeihen. Und so rief er, nach Gründungen anderer Akademien, im Jahre 1661 auch die erste Ballett-Akademie, die „Académie Royale de Danse“ ins Leben, deren praktische und wissenschaftliche Arbeit Auswirkungen auf die gesamte europäische Kultur Europas haben sollte:
Mit der systematischen Codierung der überlieferten Tanzschritte, deren Bezeichnungen, wie die Fußpositionen „I., II., III.“ etc., und Schrittbezeichnungen wie „Pas de Bourrée“ oder „Sissonne“ wir uns bis heute (!) in Ballett und modernem Tanz bedienen, und der Erfindung einer differenzierten Tanz-Notation durch den damaligen königlichen Ballettmeister Pierre Beauchamps konnten Schritte und Raumwege alter und neuer Tanzschöpfungen, sog. Choreo-graphien, auf dem Papier festgehalten und weitergegeben werden. So waren die französischen Tanzmeister mit ihren ornamentalen Notationen begehrt, da Tanz zu den obligatorischen, täglichen Ausbildungsfächern von Adel und höherem Bürgertum an europäischen Höfen und Universitäten gehörte und die Kenntnis der neuesten, von Paris angesagten Tänze über die gesellschaftliche Akzeptanz einer Person entscheiden konnte. - Der Begriff „Faux pas“, ein falscher Schritt, ein „Daneben-Benehmen“, soll bezeichnenderweise aus dieser Zeit stammen.

Entstanden aus den Tänzen des Volkes, elaboriert und verfeinert von französischen Tanzmeistern und adaptiert in den Macht- und Kultur-Zentren Europas wurde der zu seiner Zeit als „Belle danse“ („Schöner Tanz“) und „Danse Noble“ ( „Edler/Adels Tanz“) bezeichnete Tanz auch ein Erziehungsmittel zu Höf-lichkeit und sozialem Miteinander. Der Beruf des „Tanzmeisters“ beinhaltete somit eine weit umfassendere pädagogische Aufgabe, als nur das Lehren von Schrittfolgen. Denn den eigenen Körper zu beherrschen und damit seine eigenen (Bewegungs-)Grenzen zu erkennen, ermöglicht erst, auch heute noch, den Respekt für den benötigten Raum des Gegenübers.

Deshalb stehen zunächst nicht die Solotänze jener Zeit im Mittelpunkt des Kurses, sondern  die „Contredanses“, Gruppen- und Reihentänze mit einfacherem Schrittmaterial, deren System und besonderes Vergnügen es ist, daß jeder mit jedem in Tanzkontakt kommt, und Paartänze, mit ihrer Gestaltung der ornamentalen, zum Partner gespiegelten Raumwege in differenzierteren Schritten.

Mit den Tanzformen jener Zeit wird heute noch jeder Konzertbesucher, jeder Musikschüler konfrontiert: Zum Beispiel in den sog. „Tanzsätzen“ von Komponisten wie J.S. Bach oder G.Fr. Händel. Doch wie tanzte man eine „Bourrée“, wie ein „Menuet“ oder eine „Sarabande“? Welche Konsequenzen hat das Erlernen jener Tänze auf das Musikhören, bzw. die Interpretation jener Stücke im Instrumentalspiel?